Zähmung von Meerschweinchen schlecht - oder gut?

  • Wie definiert ihr denn "handzahm"?

    Und wie grenzt ihr es zum Zahm sein ab?

    Ich würde auch sagen, auf fliegen (hochnehmen) stehen die wenigsten Meeris. Vermutlich finden das alle Tiere die es nicht gewöhnt sind und nicht gern klettern (Katzen und Hundewelpen werden ja von der Mama gerumgetragen) doof... Ich überlege gerade was wohl ein Pferd tun würde, wenn man es einfach hochhebt... 😅 da haben die Schweinchen wohl "Pech" weil sie so klein sind.

    So ganz richtig krass Handzahm werden wohl auch die wenigsten Meeris wirklich sein - also freiwillig auf den Arm klettern und sich hochheben und streicheln lassen...

    Zahm dagegen können denke ich viele Meeris werden, wenn man darunter versteht, dass sie sich aus der Hand füttern lassen und sich auch in Anwesenheit des Menschen neben diesem bewegen und sich für ihn interessieren... und beim TÜV nicht versuchen sofort zu flüchten.

    Also das einzige, was für Meeris gefühlt eigentlich echt "schlimm" ist, ist das hochnehmen. Oft sind sie auf dem Schoß oder wieder auf dem Boden dann ja wieder völlig zufrieden und laufen auch nicht sofort weg (oder verstecken sich dann tagelang).

  • ZweiMeeris Gute Frage! Zahm würde ich so definieren, dass die Schweinchen im Umgang gelassen sind. Kein panisches Weglaufen, sie lassen sich auch mal kraulen und sind neugierig beim Misten. Nehmen Leckerlis aus der Hand.

    Ne Nummer Zahmer wären sie für mich dann, wenn man sie richtig kraulen kann, Untersuchungen im Gehege durchgeführt werden weil sie nicht weglaufen, sie auf den Schoß kommen und es einem direkt wieder verzeihen wenn man sie mal rausgenommen hat.

    Oder?

  • Zahm ist ein dehnbarer Begriff finde ich.

    Wir hatten schon alles, von ich lass mich freiwillig kraulen bis hin zu "ihhh Menschen". Letzteres ist immer noch die Denkweise meiner Trudi, erstmal flüchten und meckern als ob wir sie töten wollen. Nur um dann fest zustellen das sie bisher immer die Fellpflege und das Krallenschneiden überlebt hat. Gerade eben sitzt sie aber keine Armlänge von mir entfernt und frisst entspannt. Es wird langsam besser mit uns :)

    Auch ist es denke ich wichtig für einen selbst was man sich von Zahmen Tier erwünscht/erhofft. Da hat jeder Halter andere Vorstellungen von, es ist aber generell nicht schlecht wenn die Schweinchen Menschenhände nicht gleich mit Negativen Dingen in Verbindung bringen.

    LG Tasha mit

    Abby Sciuto (19.04.2020), Penelope Garcia (10.03.2022), Trudi Monk (10.03.2023),Raffi (01.04.2023), Bo-Katan (15.02.2024), Mae (03.05.2023), Scotty (15.09.2023)

  • Ja so seh ich das auch - deshalb würde ich sagen, dass eben mit Beschäftigung eigentlich so gut wie alle Meeris schon mehr oder weniger zahm werden.

    Damit sind wir wieder bei dem Punkt, dass es nicht darum geht zu sagen, Meeris wären reine Beobachtungstiere die man am besten komplett in Ruhe lässt. Aber es darf auch nicht die Erwartung entstehen, dass sie folgen und kuscheln wie Hund oder Katze.

    Was es vor allem unbedingt braucht bei Meeris und was meiner Meinung nach auch Kinder bereits lernen können ist Geduld, Ruhe (bei kleinen Kindern beides noch nicht so einfach) und eine gute Beobachtungsgabe sowie das Gefühl dafür, was geht und was nicht (sowie was muss und was nicht muss). Und das individuell für jedes Tier.

    Beispiel hier: am ersten Tag saßen die beiden komplett erstarrt auf einer Stelle im Gehege. Keiner hat sich bewegt - wirklich, ich hab mir echt fast schon Sorgen gemacht. In der Nacht haben sie dann erkundet und gefressen. Allerdings hat es schon fast eine Woche gedauert, bis sie nicht mehr sofort geflüchtet sind wenn wir da waren. Und nochmal so lange, bis sie aus der Hand gefuttert haben ohne bei jeder Bewegung wieder wegzulaufen.

    Jetzt sind beide sehr neugierig, kommen her wenn man am Gehege sitzt und ich würde sagen, sie sind zwischenzeitlich tatsächlich zahm. Jedoch ist immer noch ein großer Unterschied zwischen groß und klein feststellbar. Der Große ist viel ruhiger, bleibt viel eher sitzen wenn man rein kommt, ist auch auf dem Schoß langsamer in seinen Bewegungen und vertraut mehr. Der Kleine hat die Umgebung noch genau im Blick und flüchtet viel schneller, ist generell viel Agiler und bewegt sich deutlich schneller und unberechenbarer (ruckartiger). Trotzdem ist auch er wahnsinnig neugierig und frisst gut aus der Hand.

    Ich denke, das muss einfach klar sein, wenn man Meeris holt. Wenn man ein Kuscheltier sucht, sollte man sich ein ebensolches anschaffen (oh ich hab neulich einen sooooo süßen Kuscheltierdackel-Türstopper gesehen den hätte ich ja echt fast gekauft 🤣)

    Wenn man mit dem hier beschriebenen Kontakt zum Tier, dem sich kümmern, füttern und eben ich sag mal "seichten" und weniger körperlichen, mehr emotionalen Kontakt also einer mehr unsichtbaren Verbindung oder eben nur leichtem Kontakt (kraulen mit einem Finger statt streicheln mit der ganzen Hand) gut zurecht kommt bz. darin vielleicht sogar seine Erfüllung findet, dann ist man mit Meeris sicher gut beraten. Was immer sein muss: eine verantwortungsbewusste Erwachsene Person MUSS hauptverantwortlich für die Tiere sein.

    Also - Zähmung schlecht oder gut? Das lässt sich pauschal nicht sagen. Denn dafür muss zunächst geklärt werden, was denn der Begriff Zähmung überhaupt bedeutet und beinhaltet.

    Fangen wir mit dem Schlechten an. Schlechte Zähmung basiert rein auf Zwang und folgt nur den Interessen und Bedürfnissen des Menschen, ohne die des Tieres zu berücksichtigen. Zwangskuscheln, das Tier als Spielzeug sehen und weitere, nicht den Bedürfnissen und dem Wohl des Tieres entsprechende Methoden fallen unter schlechte Zähmung. Das Tier scheint dies mitzumachen ohne sich zu wehren (manche wehren sich auch massiv was gut so ist!) - dass dieses ruhige Verhalten trügerisch ist und von massiver Angst und massivem Stress geprägt ist, wird vom unkundigen, unerfahrenen oder leider manchmal auch rücksichtslosen Menschen nicht wahrgenommen. Die Sprache des Tieres zu lernen ist daher absolut essenziell!

    Eine gute Zähmung und Gewöhnung passiert wenn man sich regelmäßig mit seinen Meerschweinchen befasst, also den Stall in ihrer Anwesenheit sauber macht, ihnen Futter aus der Hand anbietet und sie einfach beobachtet, da ist oder auch einfach so mal die Hand hin hält bei vielen Tieren mit der nötigen Zeit und Geduld ganz von alleine. Wer respektvoll beim Einfangen und Hochheben ist (bei Unsicherheit lieber mit Kuschelrolle oder Kuschelsack oder Häuschen o.ä. hochnehmen) wird dieses aufgebaute Vertrauen auch nicht zerstören sondern auf Dauer stärken. Das ein oder andere Tier wird sich mit Ruhe und Geduld sicher auch mal freiwillig an der ein oder anderen Stelle kraulen lassen. Das ist jedoch nicht die Regel, man sollte also auch mit weniger körperlichem Kontakt zufrieden sein können. Wer möchte kann natürlich seinen Tieren dann auch den ein oder anderen Trick beibringen. Schlau genug sind sie auf jeden Fall. Wichtig ist, dass sowas immer auf Freiwilligkeit des Tieres basiert.

    Gute Zähmung hat für Mensch und Tier eigentlich nur Vorteile. Das Tier verliert seine Angst und hat dadurch weniger Stress, auch in ungewohnten Situationen kann es seinem Menschen besser vertrauen und ggf. ruhiger bleiben. Es hat gelernt: der Mensch will mir nichts böses. Die Verletzungsgefahr für Mensch und Tier sinkt erheblich (runterspringen, Beißen, kratzen, zu feste halten... Alles mit gut zahmen zutraulichen Tieren kein Thema). Und zur guten Zähmung kann mit nicht gerade total panischen Tieren auch ein "trainieren" gewisser Situationen gehören, wie Päppelspritzen oder ähnliches. Körperlicher Kontakt darf auch "trainiert" bzw viel mehr angewöhnt werden, aber eben immer(!) mit Rücksichtnahme auf das jeweilige Tier und die zu diesem gehörenden Gesamtumstände wie Angst/Vertrauen/Gelassenheit/Stresslevel/Charakter...


    Fazit: Eine schlechte Zähmung ist genau das: schlecht und sie kann viel Schaden bei Mensch UND Tier anrichten. Sie basiert nur auf Zwang und birgt für beide Seiten ein hohes Verletzingsrisiko.

    Eine gute Zähmung ist genau das: gut für Mensch UND Tier! Und sie passiert bei rücksichtsvoller, tierorientierter (Sprache und Bedürfnisse des Tieres berücksichtigender), täglicher Umgangsweise meist ganz von alleine. 😊

  • Ich möchte hier auch noch ein kleines Beispiel nennen:

    Unser Scotty lebt seit über 4 Jahren bei uns. Er war anfangs sehr scheu, hatte das Glück nie ernstlich krank gewesen zu sein und damit keine diesbezügliche Pflege zu brauchen bisher und ich habe früher versucht, die Berührungen der Schweinchen auf das absolut notwendige zu beschränken. Entsprechend schreit er immer noch meistens, wenn ich ihn unter ruhigem Zureden und mit den Händen von der Seite kommend hochnehmen will. Wenn ich ihn aber nicht gleich hochnehme, sondern kurz kraule, schreit er weder dabei noch beim anschließenden Hochnehmen.

    Für mich bedeutet das: Aufgrund der o.g. Umstände findet er Hochnehmen immer noch schrecklich. Das hätte ich ihm mit mehr positiver Zähmung ersparen können. Aber selbst bei seiner aktuellen Einstellung wird es für ihn viel weniger bedrohlich oder schrecklich, wenn ich ihn kurz kraule vor dem Anheben.

    Scotty würde sich nicht freiwillig im Gehege kraulen lassen! Diese oft gelesene Forderung halte ich nicht nur wegen dieses Beispiels für nicht pauschal richtig. Ich halte dann Scotty zwar nicht fest aber ich versperre ihm durch die Haltung meiner Hände den Fluchtweg. Damit will ich sagen: Es kann auch im Interesse des Meerschweinchens sein, es gegen seinen Willen im Gehege kurz zu kraulen. Es ist also auch da nicht schwarz-weiß, sondern man muss als Halter abwägen, was dem Tier hilft und kurz- oder langfristig gut tut.

    Scotty (ca. 08/19), Landolf (ca. 02/20), Josia (08/20), Simba (06/23), Fuchsi (08/24), Fridolin (08/24) - im Herzen geblieben: Dachsi (04/18-09/24), Wuschel (04/18-11/23), Miro (ca. 02/20-10/24) - weitere Infos

  • Ich stimme dir zu und würde an der Stelle folgendes unterscheiden:

    Will ich mein Meerschweinchen kraulen des reinen Kraulens wegen? Also geht's quasi nur ums "Kuscheln" bz Anfassen und damit (bei nicht gerade von sich aus kuschelwütigen Meeris) primär um mein Bedürfnis?

    Oder möchte ich meinem Meerschweinchen wie in deinem Fall Silke eine notwendige Prozedur einfacher und angenehmer machen?

    Es gibt definitiv positiven und negativen Zwang. Die Unterscheidung hängt von den Beweggründen des Menschen und der Notwendigkeit dessen, was getan wird, ab. 😊

  • Es kann auch im Interesse des Meerschweinchens sein, es gegen seinen Willen im Gehege kurz zu kraulen.

    Das glaube ich auch. Ich wage die Hypothese, dass ein Öhrchenkraulen durch uns von den Schweinchen im optimalen Fall so empfunden werden könnte, wie wenn Schweinchen sich zur Beschwichtigung oder zum Trost o.ä. gegenseitig das Öhrchen schnuffeln.

  • In einem anderen Beitrag (Wut, Angst oder Frust im Umgang) wurde das Thema der erlernten Hilflosigkeit angesprochen. Nicht als "es ist auf jeden Fall so" sondern als "man könnte es vielleicht als erlernte Hilflosigkeit bezeichnen" und es wurde in dem Zusammenhang auch das Beispiel Pferde genannt.

    Mit Pferden habe ich sehr viel mehr Erfahrung als mit Meerschweinchen. Doch wir hatten es hier schon öfter, dass beide sich in einigem ähneln. Eine erlernte Hilflosigkeit kommt sicherlich überall vor, bei Mensch und Tier. Dass jedoch jeder Umgang mit einem Fluchttier quasi unweigerlich (zunächst?) in eine erlernte Hilflosigkeit führt würde ich persönlich verneinen. Ich denke, es kommt auch hier wie immer auf das "wie" an.

    Zudem ergibt sich aus der Definition heraus bereits die Schwierigkeit, dass Tiere nicht sprechen können, und wir nicht sicher sein können, in wie weit bei ihnen Konzepte wie "ich bin selbst schuld" oder Selbstreflexion überhaupt "vorhanden" sind.

    Tiere sind deutlich instinktgetriebener als Menschen. Sie handeln nicht unbedingt bedacht, vor allem nicht unbedingt berechnend (sondern eher berechenbar, also instinktiv). Dennoch hat jedes Tier einen eigenen Charakter. Sicherlich gibt es auch bei wilden Meerschweinchen solche, die bei Gefahr sofort weg sind und sich lange nicht blicken lassen. Generell werden bei Gefahr instinkthalber und aus Herdentrieb erst mal alle flüchten. Doch dann gibt es immer, in jeder Herde diejenigen Tiere, die den Mut und die Neugier aufbringen, als erstes zu prüfen, ob es "draußen" wieder sicher ist.

    Erlernte Hilflosigkeit definiert sich durch ein als unkontrollierbar empfundenes negatives Ereignis. Als Folge wird ein Kontrollverlust wahrgenommen. Daraus entwickelt sich ein "ich kann eh nichts tun" also erlernte Hilflosigkeit.

    Dass ein Meeri ein Einfangen und Hochnehmen instinkthalber als unkontrollierbar negativ empfindet, kann man sich nun tatsächlich vorstellen.

    Für mich ergeben sich daraus zwei Dinge. Man müsste bei Fluchttieren über die Neugierde und positive, zwanglose Gewöhnung arbeiten, im Idealfall bei Tieren in Gefangenschaft bereits von Geburt an, denn dann geht es vermutlich am einfachsten. Bei wilden oder älteren Tieren geht es jedoch auch, dann braucht es meist viel Zeit und Geduld, ist jedoch damit sicher möglich - wahrscheinlich jedoch dann nicht bei allen Tieren.

    Auf freiwilliger, langsamer und positiv verstärkter Trainings- und Gewöhnungsbasis lässt sich sicher auch das Hochheben so üben, dass eine erlernte Hilflosigkeit nicht entsteht, oder eine bereits entstandene erlernte Hilflosigkeit wieder "verlernt" werden und echtes Vertrauen aufgebaut werden kann.

    Was aber, wenn ein Tier verletzt oder krank ist, und ohne Hilfe sterben würde? Dann steht man wohl oder übel vor der Entscheidung: Zwang und ggf. erlernte Hilflosigkeit im Austausch für Leben und Gesundheit des Tieres.

    Ich muss außerdem anmerken, dass ein TÜV bei den meisten Tieren dann erst nach langer Zeit möglich wäre - es sei denn man kann einem Tier irgendwie schnell beibringen, im Gehege selbst auf die Waage zu steige (das wäre doch mal was 😅).

    Würden alle Haustiere von Anfang an behutsam an einen positiven und liebevollen Umgang mit dem Menschen gewöhnt, einen Umgang der auf Freiwilligkeit des Tieres und Vertrauen basiert, dann hätten wir natürlich immer noch die Tatsache, dass wir ein Haustier trotzdem immer einsperren (auch wenns die ganze Wohnung zur Verfügung hat, es ist nicht wild und frei), was man nun durchaus auch als Zwang bezeichnen kann - aber dann sind wir wieder bei dem Punkt, dass wir keine Tiere halten dürften, also das Konzept Haustier nicht funktioniert. Da müsste man dann die Tiere fragen können, was ihnen lieber ist... Bindung an den Menschen mit einer gewissen Einschränkung der Freiheit dafür der Sicherheit in Bezug auf Leben, Futter und Gesundheit - oder das raue freie Leben in der Natur mit kompletter Freiheit, dafür den entsprechenden Feinden und Gefahren...

    Fazit: Die erlernte Hilflosigkeit ist sicher ein Thema im Bereich der Zähmung. Es liegt jedoch am Menschen, ob es zum einen überhaupt dazu kommt, und wenn wie dann insgesamt damit umgegangen wird.

    Gerade im Bereich der Pferde und auch bei Hunden sieht man massive Unterschiede im Umgang und man sieht es den Tieren an - man sieht, ob ein Pferd innerlich aufgegeben hat, ob es einfach nur noch funktioniert und "Befehle ausführt" oder ob es gerne beim Mensche ist und ein Dialog mit dem Menschen stattfindet, ob es mitsprechen darf und auch die Neugier und die Lebensfreude noch da sind. Letzteres ist gerade bei den Pferden heute das, was es für mich ausmacht. Freiarbeit ist das, was mir mit Pferden zwischenzeitlich am meisten Spaß macht. Nur sich selbst und die eigene Körpersprache zu haben um mit dem Gegenüber zu kommunizieren, nicht festhalten wollen sondern loslassen und die Möglichkeit geben, von selbst Kontakt aufzunehmen. Und die Neugier der Tiere wird früher oder später dazu führen, dass Kontakt aufgenommen wird sofern (!) keine traumatisch negativen Erfahrungen vorliegen. Denn dann muss erst mal mit viel Sachverstand und Einfühlungsvermögen und noch viel mehr Zeit und Geduld an diesen Themen gearbeitet werden...

    Meerschweinchen Trainer gibt's bisher nicht, oder? So ne Spezialisierung auf verhaltensauffällige, traumatisierte Meerschweinchen wär doch mal was 😅

  • Ich stimme Dir in vielem zu. Einige Punkt, die ich bisher anders sehe sind:

    Die Begründung, dass Meerschweinchen Fluchttiere sind, die man ja sehr oft hört, trifft die Sache m.E. nicht. Pferde, Schafe, Ziegen, Esel, Rinder, Kaninchen, Hamster, Mäuse u.a. sind auch Beutetiere und außer Hamstern und Mäusen reine Pflanzenfresser. Und selbst diese jagen ja nicht im Sinne von Wölfen oder Wildkatzen. Trotzdem ist die Angst vor dem Ergreifen nur bei Meerschweinchen so extrem ausgeprägt. Natürlich ist das Größenverhältnis bei den meisten der Beispiele besser zugunsten des Tieres. Aber auch das erklärt es m.E. nicht, denn Kaninchen sind vermutlich am ehesten zu enger Beziehung mit Menschen und Schmußen bereits aus der o.g. Liste, obwohl sie zum kleineren Ende gehören. Es muss bei Meerschweinchen einen anderen bzw. zusätzlichen Grund geben.

    Nach meiner bisherigen Erfahrung werden die meisten (oder alle?) Meerschweinchen Berührungen nie akzeptieren oder gar als positiv ansehen, wenn wir sie ihnen nicht zeitweise aufdrängen. Und selbst die Verfechter des Anspruches, dass man ein Meerschweinchen nur im Gehege kraulen darf, machen es m.W. anfangs oft und andere immer, wenn das Tier futtert. Sie zwingen das Schweinchen also auf das geliebte Essen zu verzichten oder die Berührung hinzunehmen. Ich weiß, dass es auch Schweinchen gibt, die sich wie bei Schweinemagd gerne graulen lassen. Aber ich habe noch nie von einem Meerschweinchen gehört dass von sich aus anfängt, zum Menschen zu laufen und gegrault werden zu wollen.

    Ich hatte Dachsi und Wuschel geschätzt 2 Jahre lang nicht berührt, wenn es nicht unbedingt sein musste. Sie kamen zum Futterholen zur Hand, aber sie sind anfangs panisch und später immer noch weggerannt, wenn ich sie mal berührt habe oder viele Monate lang, wenn ich nur einen Finger in ihrer Nähe bewegt habe. Diese ganze Zeit der Angst hätte ich deutlich abkürzen können. Später wurden sie so zutraulich, dass sie sich zeitweise sogar ohne Weglaufen hochnehmen ließen. Da hatten sie aber durch Krankheit die Berührung und den engen Kontakt zu ertragen gelernt. Wenn sie den gleichen Prozess Jahre früher und ohne Krankheit durchgemacht hätten, wäre es nur zu ihre Vorteil gewesen.

    Scotty (ca. 08/19), Landolf (ca. 02/20), Josia (08/20), Simba (06/23), Fuchsi (08/24), Fridolin (08/24) - im Herzen geblieben: Dachsi (04/18-09/24), Wuschel (04/18-11/23), Miro (ca. 02/20-10/24) - weitere Infos

  • Gerade bei Pferden sieht man jedoch, was Berühren und Anfassen angeht, bei Wildpferden oder bei sehr "wild" aufgewachsenen Pferden (bei Islandpferden ist das die Regel und hier kann ich aus eigener Erfahrung sprechen) ähnliches Verhalten wie bei Meerschweinchen. Versucht man Kontakt zu einem solchen wilden Pferd aufzunehmen, wird man anfangs mit viel Glück und Geduld bei den meisten vielleicht ein Schnuppern an der Hand erreichen. Sobald man sich aber zu viel bewegt oder mehr macht, wird das Pferd die Flucht ergreifen und Anfassen geht gar nicht, bzw. anfangs auch nicht ohne dass das Tier dabei sehr angespannt also im "ich flüchte sofort wenn du auch nur einen falschen mucks machst" Modus - eigentlich gleich wie beim Meerschweinchen. Und ich bin sicher, dass kein Pferd erfreut wäre würde es einfach gepackt und hochgehoben. An der Stelle kommt ihnen ihre Größe tatsächlich zu Gute 😅

    Von daher sehe ich zum Pferd definitiv große parallelen bis hin zu Gemeinsamkeiten und auch bei Schafen oder Kühen lässt sich dieses Verhalten beobachten - der einzige Unterschied ist, dass man die ganzen großen Fluchttiere halt nicht einfach so Hochheben kann. Daher lässt sich diese Angst hier einfach nicht prüfen, dass sie jedoch vorhanden wäre wenn es so große Jäger geben würde, daran habe ich keinen Zweifel.

    Bei Kaninchen und Hasen ist es in Gefangenschaft anders, aber vermutlich liegt es da tatsächlich auch an massiver Gewöhnung an den Menschen von Anfang an und vielleicht an einer oft generelleren Gelassenheit? Ich kenne Hasen und Kaninchen tatsächlich auch eher als kämpferisch also die wehren sich halt teils auch noch massiver als Schweinchen das tun.

    Die Angst vor der Hand und vor dem angefasst werden gibt's so also definitiv bei vielen der anderen Fluchttiere auch, überwiegend bei denen, die keinen bis wenig Kontakt zum Menschen hatten ab Geburt bis zum Jugendlichen bz. Erwachsenenalter (von Hasen/Kaninchen kenn ich es in dem Ausmaß wie gesagt auch nicht und mit Mäusen und Hamstern kenn ich mich zu wenig aus). Die Angst vorm Ergreifen ist bei diesen sich ähnlich verhaltenden Tieren aufgrund ihrer Größe nicht relevant.

    Und für mich liegt hier beim Alter der Knackpunkt. Was ist mit Meerschweinchen, die von klein auf also von Geburt an täglich in engem Kontakt zum Menschen stehen und angefasst werden auf positive behutsame Weise? Davon gibt's vermutlich nicht so viele... also nicht so viele Erfahrungswerte?

  • p.s. Mir ging es oben ja vor allem noch um den Begriff erlernte Hilflosigkeit. Ist nun jedes Stillhalten eines Meeris beim Menschen bz. Jeder irgendwann ruhige und gute Kontakt mit dem Menschen letztlich "immer nur" eine erlernte Hilflosigkeit?

    Kann es (positive) Zähmung ohne erlernte Hilflosigkeit, ein Zusammensein von Tieren mit dem Menschen ohne erlernte Hilflosigkeit nicht geben?

  • Was Du schreibst, ist doch interessant: Wild aufgewachsene Pferde zeigen das von Dir beschriebene Verhalten. Aber bei weitem die meisten Meerschweinchen wachsen ja nicht "wild" auf. Das ist doch genau der Punkt. Und dem entspricht auch Deine Frage, ob man Meerschweinchen nicht von Geburt an an engen Kontakt mit Menschen gewöhnen sollte.

    Verursachen wir mit dem heute im deutschsprachigen Raum bei Meerschweinchenfreunden vorherrschenden Ansatz, dass Meerschweinchen reine Beobachtungstiere seien, genau diese Angst und damit Not der Meerschweinchen?

    Ich glaube offen gesagt, dass das nur einer der entscheidenden Faktoren ist, ein wichtiger aber nicht der einzige.

    Scotty (ca. 08/19), Landolf (ca. 02/20), Josia (08/20), Simba (06/23), Fuchsi (08/24), Fridolin (08/24) - im Herzen geblieben: Dachsi (04/18-09/24), Wuschel (04/18-11/23), Miro (ca. 02/20-10/24) - weitere Infos

  • Das ist die Frage, wachsen sie "wild" auf, oder nicht? Ich würde fast schon sagen, dass viele Meeris quasi "wild" also mit wenig täglich engem Kontakt zum Menschen aufwachsen, oder nicht? 🙈

    Für ein nicht ängstliches Fohlen braucht es eine entsprechende gelassene Herde und den täglichen Berührungskontakt zum Menschen von Anfang an. Dadurch, dass Pferde ja auch geputzt werden, kommt hier wenn man es denn macht vermutlich von Anfang an ein ganz anderer körperlicher Kontakt zum Menschen zustande. Man bräuchte nun eine zahme, positiv geprägte, verkuschelte Meeri Gruppe und dann Babys, die von Anfang an jeden Tag auf den Schoß kommen und beispielsweise auch gebürstet werden, um hier entsprechende Aussagen und Erfahrungswerte darlegen zu können 🙈😅

    Aber ich hab schon den Eindruck, dass viele Meeris eher mit nicht täglichem Handkontakt zum Menschen aufwachsen. Also auch da ist es eigentlich ähnlich, bei den "wilden" Pferden war ich schon auch täglich auf der Koppel und hab sauber gemacht und bin auch um alle Pferde jeden Tag rum gelaufen und hab se angeschaut. Sprich der tägliche Kontakt war da aber eben auf Abstand, weil es auch quasi nur Jungpferde also nur ängstliche Pferde unter sich waren.

    Ganz was anderes als mit meinem Fohlen von 9 Monaten, das ich dann nach Gewöhnung täglich geputzt etc. habe, und das in einer Herde lebte aus Pferden die den Kontakt zum Menschen komplett gewohnt war.

    Trotzdem ist auch da beispielsweise anzumerken, dass natürlich auch das Alter die Gelassenheit mit sich bringt.

    Natürlich sind es immer mehrere Punkte und es ist immer die Gesamtsituation entscheidend. Welche Faktoren siehst du denn noch? ☺️

  • Besteht zwischen Pferden und Meerschweinchen nicht schon ein großer, wichtiger Unterschied hinsichtlich des Anfassens darin, dass Pferde regelmäßig gegenseitig Fellpflege betreiben und Meerschweinchen eben gerade nicht? Für Pferde das Berühren durch "andere Lebewesen" dadurch also in der Regel deutlich normaler und positiver behaftet ist als für Meerschweinchen?

    Liebe Grüße von den 8 Quietschnasen:

    <3 Domino, Johnny, Lavendel, Velvet, Schnuppe, Lumi, Ida und Nessaja <3

  • Daran hatte ich auch schon gedacht! Das ist sicherlich richtig in Bezug auf Pferde und Meerschweinchen von der Tendenz her. Wobei auch Meerschweinchen mitunter einander lecken oder im Fell wühlen und einige anscheinend auch mit Körperkontakt liegen. Und ich kann mich nicht erinnern, Pferde gesehen zu haben, die freiwillig mit Körperkontakt standen oder lagen. Aber vielleicht haben andere da andere Erfahrungen gemacht?

    Zudem es gibt auch Tierarten, die von Natur aus Einzelgänger sind, von Paarung und Aufzucht abgesehen. Ich denke da z.B. an Katzen und Goldhamster. Trotzdem genießen sie bei Katzen oft, bei Hamstern mitunter bei passendem Kontakt zu Menschen das Schmußen oder kommen dafür zu den Menschen gelaufen.

    Scotty (ca. 08/19), Landolf (ca. 02/20), Josia (08/20), Simba (06/23), Fuchsi (08/24), Fridolin (08/24) - im Herzen geblieben: Dachsi (04/18-09/24), Wuschel (04/18-11/23), Miro (ca. 02/20-10/24) - weitere Infos

  • Ja, Pferde betreiben Fellpflege durch anknabbern mit den Zähnen und betreiben einen gewissen Körperkontakt untereinander.

    Bei meinen zwei Jungs beobachte ich, dass sie "kuscheln" aber eher bei Verunsicherung und dass Berührung von hinten zumindest eher ein Weglaufen des Vorderen zur Folge hat.

    In wie weit gibt es Berührung zwischen Meeri Mama und Meeri Baby? Kenne mich da kaum aus...

    Dennoch ist auch für mich der Kontakt einer Tierart untereinander ein anderer, als der zwischen Mensch und Tier, denn ich kann mich ja körpersprachlich und auch lautlich gar nicht so ausdrücken, wie ein Artgenosse. Daher werde ich als Mensch ja so oder so nicht als Artgenosse wahrgenommen. Die Mensch Tier Beziehung ist damit in der Sache an sich schon etwas sehr individuelles? ☺️

  • Ich will kurz auf ein paar Punkte eingehen, die mir aufgefallen sind.

    1.) Unsere Minna lässt sich ja sehr gerne kraulen - auch ohne Futter vor ihrer Nase und ihne Herausnehmen etc. Sie fordert das Kraulen sogar von sich aus ein, indem sie oben auf der Brücke wartet. Das ist aber echt eine Ausnahme. Von allen Meerschweinchen, die ich jemals hatte, macht das nur Minna.

    2.) Jungtiere schlafen sehr oft mit Körperkontakt zu ihren Müttern. Babys sowieso. Hin und wieder sehe ich das aber auch bei unseren erwachsenen Tieren. Dann aber meist nur kurzzeitig oder wenn jemand krank ist. Oder mit der Hängematte dazwischen:

    3.) Von Pferden habe ich nicht viel Ahnung. Aber 2023 waren wir im Dartmoor-Nationalpark. Dort Leben die wilden Dartmoorponys. Die haben theoretisch nicht viel Kontakt mit Menschen, werden nie geritten etc. Ich dachte, die seien total scheu. Das war aber nicht so. Die hatten gelernt, wo die Touristen sind und kamen dort vorbei, ließen sich streicheln und hofften auf Äpfel und Karotten ( eigentlich streng verboten). Sie waren sogar ziemlich aufdringlich. Das hat mich total erstaunt.

    <3Karla *2019 <3 Ludwig *18.1.2022 <3 Minna *ca. 20.8.2022 <3 Selma * 2.2.2024 <3 Amalie *ca. 25.4.2024

    Für immer im Herzen: Berta, Pieps, Charly, Greta, Emma, Sophie, Chocolate

  • Bei meinen Meerschweinchen hatte ich in Bezug auf Zutraulichkeit nur eine Ausnahme. Alle anderen Tiere mochten es nicht, angefasst zu werden oder ertrugen es eher unwillig, wenn es was zu futtern gab. Aber mein Bock Bounty kam nach dem Öffnen der Stalltür immer sofort angelaufen, ließ sich anfassen und am Kopf kraulen und hielt dabei auch die ganze Zeit still. Ich hatte auch den Eindruck, daß er dieses Kraulen richtig gut findet, er hätte ja jederzeit weglaufen können. Leider ist er in diesem Winter im Alter von ca. 5 Jahren gestorben. Das genaue Alter kann ich nicht genau sagen, es war ein Abgabetier aus einer Familie mit der immer wieder auftretenden Allergie eines Kindes gegen Meerschweinchen und dort gab es die Information, er wäre ca. ein Jahr alt. Aber solche Angaben nehme ich eher ohne Gewähr hin, da ich mir auch vorstellen kann, daß man die Tiere einfach jünger macht, um sie besser abgeben zu können.

  • Die haben theoretisch nicht viel Kontakt mit Menschen, werden nie geritten etc. Ich dachte, die seien total scheu. Das war aber nicht so. Die hatten gelernt, wo die Touristen sind und kamen dort vorbei, ließen sich streicheln und hofften auf Äpfel und Karotten ( eigentlich streng verboten). Sie waren sogar ziemlich aufdringlich. Das hat mich total erstaunt.

    Das wundert mich tatsächlich weniger, bei Futter sind glaub ich fast alle Tiere schlau und früher oder später auch aufdringlich 😅

    Und in dem Fall ist der Kontakt zu Menschen und vor allem in Bezug auf Futter ja dann doch da? Sonst wäre das vermutlich eher nicht so 🙈

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