Nun zum Sinn und Zweck. Ich sehe Zucht als kulturelle Leistung an. Ich sehe das auch ein Stück weit von der „landwirtschaftlichen“ Seite. Zucht ist eine Errungenschaft. Im gleichen Maße wie alte Schweine- Hühner- oder Rinderrassen als genetischer Pool erhalten werden sollten, gilt dies m.E. im gleichen Maße für andere Tierarten. Ist für mich kein Unterschied.
Ich verstehe durchaus, dass Zucht kulturell verwurzelt ist und es schade wäre, spezielle Rassen zu verlieren. Meiner Meinung nach wäre das aber kein großer Verlust! Wir haben ganz andere Probleme auf unserem Planeten. Immer mehr natürlicher Lebensraum schwindet, jeden Tag sterben Arten aus, teilweise bevor wir sie finden. Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren Lebensräume zu schützen und Artenvielfalt zu waren, bevor wir anfangen exotische Rinderrassen einfach nur der Rasse wegen zu erhalten.
Ich weiß, das ist Whataboutism. Aber schlussendlich gibt es für viele Nutztierrassen keinen Platz im Ökosystem. Und das ist mein Problem. Wir haben eine Verbindung zum Wollschwein. Finden es süß, besonders und wollen nicht dass es ausstirbt.
Aber all die Wildtiere, welche tagtäglich weniger Lebensraum vorfinden haben wir nicht direkt im Blick. Sie sterben aus, still und leise zwischen Schottergärten, Landstraßen, Fichtenwaldplantagen, Rapsfeld, Pferdeweide und Kuhstall.
Und der entscheidende Punkt, viel wichtiger: Das Wollschwein weiß nicht, dass es zu einer aussterbenden Rasse gehört. Es hat Bedürfnisse. Und darauf kommt es für mich an, dass Tiere, egal ob wild oder in Gefangenschaft, ein gutes Leben führen können. Aber Tiere auf Krampf zu züchten, nur um eine Rasse zu erhalten, und die Bedürfnisse der Individuuen an 2. Stelle zu stellen geht für mich nicht. Tiere sind fühlende Lebenwesen und keine Objekte deren Wert im Erscheinungsbild liegt!
(Ein extremes Beispiel: ist der Eisbär noch ein Eisbär, wenn er auf Betonplatten bei 30 Gard im Zoo rum gammelt? Wieso den Eisbären retten, wenn sein Lebensraum ohnehin nicht mehr vorhanden sein wird. Ein neues Tier wird diese Lücke füllen. Wir können den Eisbären zwar am Leben halten, aber ohne seinen Lebensraum ist er kein Eisbär mehr und er hat keinen Platz mehr im Ökosystem. Lieber bestaune ich ihn auf Fotos, als wie er depressiv auf einem Felsen vor sich hin wackelt.)
Kulturelle Leistungen davon abzuleiten, dass man Instinkte von unterlegenen Spezien nach den eigenen Vorstellungen lenkt; da frage ich mich persönlich, wie groß die kulturelle Leistung sein bei einem Hahnenkampf etc. sein muss. Instinkte einer unterlegenen Spezies nach den eigenen Vorstellungen ausnutzen. Darüber darf mal gern nachgedacht werden.
Sehe ich auch so. Auf der einen Seite wird argumentiert dass Trächtigkeiten ein natürlicher Instinkt wären. Aber nichts in einer Zuchtstätte ist natürlich! Nicht die Rasse, die Farbe, das Pelletfutter, die von Menschen gemachte Gruppenzusammensetzung, auch nicht das Wasser aus der Leitung geschweige den das Meerschweinchen in Deutschland. Das Argument "Natürlichkeit" hat im Kontext von menschengemachten Umständen nichts verloren. Man kann nicht auf der einen Seite mit Instinkten argumentieren wenn es einem passt und andere Bedürfnisse ignorieren weil es einem eben nicht ins Konzept passt.
Wie sollten Meerschweinchen für uns Halter idealerweise "nachproduziert" werden? Wenn Zucht und Vermehrer ausscheiden, bleiben ausgediente Labormeerschweinchen (letztendlich auch gezüchtet) oder Unfallwürfe (meistens in Kombination mit schlechten Haltungsbedingungen/Unwissen, also prinzipiell auch nicht zu begrüßen).
Diese Frage wollte ich auch gerade stellen…will man die ganze Nachzucht unseriösen Vermehrern überlassen, die einen schnellen Euro mit den Tieren verdienen wollen und sich nicht um das Tierwohl scheren? Nur damit man sich dann guten Gewissens irgendwelche geschundenen Tiere aus einer Notstation holen kann?
Wenn der Tag kommt, an dem ich keine Meerschweinchen aus schlechter Haltung über das Internet finde, die Tierheime und Notstationen leer sind und es auch privat keine Notschweinchen zu finden gibt, höre ich mit der Haltung auf. Zumindest, wenn die Alternative ist bei Züchtern zu kaufen, bei denen Tierwohl nur eine Floskel ist. Und tbh, das trifft auf die meisten zu. Die Tierliebe beschränkt sich auf das Objekt Meerschweinchen. Aber das Individuum Tier hat dort wenig Platz.
Grundsatzfrage. Die Sache ist die, man darf gegebene Umstände kritisieren, auch wenn man keine 100% umsetzbare Alternative hat. Ich lehne Zucht und Vermehrung, so wie sie meistens betrieben wird, ab. Ich gestehe mir aber auch ein, Meerschweinchen zu mögen. Ich denke, ich kann Tieren ein besseres Leben bieten als sie es zuvor hatten und denke, es geht ihnen hier gut. Es könnte besser sein! Aber sie leben ein gutes Leben. Und so lange es Meerschweinchen in Not gibt, gebe ich ihnen ein zu Hause und lehne Zucht dennoch ab.
In einer perfekten Welt gäbe es gewiss mehr Züchter. Kleinere Zuchten mit gesunden Tieren! Wo WIRKLICH an aller erster Stelle Wert auf die Gesundheit gelegt wird. Erst dann auf die Farbe oder Rasse.
Vielleicht gäbe es auch mehr Privathalter, welche mit der Unterstützung von erfahrenen Züchtern und Tierärzten gesunde Würfe bekommen.
Vielleicht gäbe es aber auch weniger Halter, wenn nur noch jene Meerschweinchen halten würden, welche gewillt wären sie artgerecht zu halten. dementsprechend dürfte es auch kleinere Zuchten geben.
Wie man sich dreht und wendet, die Situation ist, wie sie ist. Vermehrung muss aufhören, aber auch Züchter müssen sich mMn dringend hinterfragen und im Sinne der Tiere einiges Verbessern!
Wir müssen aufhören unsere Haustiere als Modeobjekte zu betrachten. Meinen Schweinchen ist ihr Aussehen egal, also sollte es auch mir egal sein. Ich möchte dass sie glücklich und gesund leben können. Wie sie dabei aussehen interessiert mich nicht! Es sei den sie leiden und sterben nur weil irgendwelche ach so tierlieben Züchter meinten kurze Nasen wären ne tolle Sache! Dann interessiert es mich sehr wohl und ich werde wirklich wütend! Ich habe diese ständigen Rechtfertigungen für Tierleid so sehr satt!