Kapitel 7
Angst und Schrecken
Erinnert Ihr Euch
an meine Erzählung vom Schlaraffenland?
Uns ging es in den letzten Monaten wirklich gut - viel besser als wir
es nach unserer schweren Kindheit und Jugendzeit erwartet hatten.
Aber eine Rückkehr in das Schlaraffenland hatten wir hier leider
bisher nicht erlebt. So blieb eine fast nicht in Worte zu fassende
Sehnsucht in uns ungestillt - bis zu einem warmen Tag im Frühjahr
2019.
Wir waren
erstaunt, als wir mitten am Tag hochgehoben und dann auch noch die
Treppe herunter, durch das Haus und hinaus in den Garten getragen
wurden. Dass das der Garten war, haben wir erst später wahrgenommen.
Zunächst waren wir nur starr vor Schreck. Und dann kam das
Schlimmste von allem: Wir wurden mitten in einer grünen Wildnis
abgesetzt. Kein Haus, kein Tunnel in Sicht, alles fremd ... HILFE!
Wir rannte beide
kopflos davon und machten erst halt, als wir an einem Gitter ankamen.
Dort kauerten wir uns hin, um möglichst wenig gesehen zu werden. In
unserer Panik waren wir auch noch in verschiedene Richtungen gerannt.
So konnten wir uns nicht einmal hinter dem anderen verstecken. Es war
einfach nur entsetzlich!
Sagt jetzt bitte
nicht: Warum ist denn nicht einer zum anderen gelaufen?
Wie hätten wir
das machen sollen? Jeder Schritt hätte uns den Tod bringen können.
Wir wussten ja nicht, welche Gefahren auf uns lauerten. Wir wussten
eigentlich gar nichts mehr - außer dass wir schreckliche Angst
hatten. Und da kam auch schon etwas Riesiges auf uns zu. Wir rannten
um unser Leben!
Und selbst als wir
zwischen Todesangst und verzweifelter Suche nach einem Versteck,
erkannten, dass unsere Menschen uns verfolgten, war das kaum eine
Beruhigung. Sie hatten uns ja in diese schreckliche Lage gebracht.
Wer weiß, was sie jetzt mit uns vorhatten?
Letztlich gelang
es ihnen, uns beide zu greifen und sie trugen uns wieder zurück in
unsere vertraute Welt. Diesen Schrecken mussten wir erst einmal
verarbeiten. Aus menschlicher Sicht hört sich das vielleicht harmlos
oder gar niedlich an, aber unsere Angst war sehr real!
Wenigstens hatten
unsere Menschen aus dieser schlimmen Geschichte gelernt. Etwa zwei
Tage später setzten sie uns in einen sehr kleinen blauen Raum, den
sie "Transportkorb" nannten. Darin trugen sie uns in den
Garten, setzten uns auf dem Boden ab und öffneten die Tür. So
konnten wir erst einmal die Lage sondieren. Nachdem wir uns
orientiert hatten und Verstecke sahen - ja, sie waren diesesmal da! -
gingen wir vorsichtig aus dem Korb heraus.
So ganz geheuer
war es uns noch nicht. Aber wir merkten bald, dass man die grüne
Wildnis futtern konnte. Hatten wir vielleicht endlich das
Schlaraffenland wiedergefunden?
Wir waren keine
unbedarften Kinder mehr, wie in jenen Stunden, an die wir so gerne
zurückdachten. Daher brauchte es ein paar Aufenthalte im Garten, bis
wir entspannt waren. Aber dann war es noch schöner als in unserer
Erinnerung: Wir hatten viel Platz, das hohe Gitter um und über uns
gab uns Sicherheit und wir konnten viel länger draußen bleiben als
in unserer Kindheit. Auch wenn uns manchmal Vögel Angst machten oder
andere fremde Geräusche, wurden wir immer mutiger und fingen an, das
Leben im Schlaraffenland in vollen Zügen zu genießen.
So waren wir, zwei fast erwachsene Schweinejungs, nun glücklich angekommen in unserer neuen Heimat im Haus und im Garten. Und so ging es dann immer weiter? Weit gefehlt! Es warteten neue Abenteuer auf uns!