Hallo ihr Lieben,
wie bereits in der Vorstellungsrunde ankündigt, möchte ich euch hier die Problematik in meiner Böckchengruppe näher beschreiben.
Die vier Jungs kamen als bereits bestehende Gruppe vor etwa 9 Wochen von einem Bauernhof zu uns. Die Gruppe besteht aus dem 2-jährigen Strubbel und seinen drei 1,5-jährigen Halbbrüdern Nobby, Smartie und Möhre. Alle sind definitiv nicht kastriert. In der Vergangenheit bei den Vorbesitzerin wird es bereits die ein oder anderen Rangelei gegeben haben, da vor allem die Öhrchen von Smartie und Möhre deutliche Spuren aufweisen.
Anfangs war zu beobachten, dass Nobby der unangefochtene Anführer war, der den (damals noch erkrankten) Strubbel für sich beanspruchte, in dem er immer neben im fressen, liegen und umher laufen wollte. Wenn einer seiner gleichaltrigen Brüder "seinem" Strubbel zu nahe kam, scheuchte er sie "sanft" weg, indem er einfach nur einen deutlichen Schritt oder Sprung in ihre Richtung machte. Ebenso verhielt er sich bei Liege- und Futterplätzen. Smartie und Möhre mussten sich einen anderen Platz suchen, Strubbel durfte immer und überall alles machen was er wollte. Auch in einem der Häuschen drin legte sich Nobby immer direkt zu Strubbel.
Was ich seit dem Einzug ebenfalls beobachten, aber bis heute nicht richtig deuten oder mir erklären kann, ist das häufige Aufreiten der drei Jüngeren auf Strubbel. Als Strubbel anfangs noch sehr angeschlagen war, ließ er es einfach von allen über sich ergehen. Da Nobby aber "gut" auf ihn aufpasste, passierte es häufig nur durch ihn. Smartie und Möhre wurden dementsprechend verscheucht und hatten eher selten die Gelegenheit.
Da Strubbels Genesungsprozess mit Beginn des Frühlings stattfand, ist es für mich nun schwer zu deuten, ob die Veränderung seines Zustands nun (auch) zu den Unruhen in der Gruppe führt oder ob es - wie die Tierärztin es mir erklärt hat - die "Frühlingsgefühle" der drei Jüngeren sind
Seit etwa 4 Wochen hat sich die Rangfolge auf jeden Fall deutlich verändert. Es fing (augenscheinlich für mich) damit an, dass Smartie immer wieder versuchte, Nobby seine Position als Anführer streitig zu machen, indem er sich nicht mehr verscheuchen ließ und sich immer wieder bewusst in seine Nähe begab. Ich konnte wirklich gut beobachten, wie er sich beweisen wollte, indem er all die klassischen Droh- und Behauptungsgebärden auffuhr, die man so nachlesen kann. Ich kann leider nicht sagen, ob in dieser Zeit schon ein richtiger Kampf stattgefunden hat. Ich schaute mir alle Schweinchen immer gründlich an und konnte zumindest keine Bisspuren oder ähnliches feststellen. Zu beobachten war jedoch, dass Nobby sich nun zunehmend zurückhaltender verhielt und Smartie ihn wegscheuchte. Teilweise jagte er ihn immer wieder quer durchs Gehege (mehrmals täglich, etwa 10-20 Sekunden) Da es zum Glück keine "Sackgassen" gab, konnte Nobby aber immer einen Weg von ihm weg finden. Smartie lief ihm oft einige Runden in Kreis hinterher und kehrte dann abrupt um, um ihn abzufangen. Bis dahin interpretierte ich dieses Verhalten noch als "normal" unter Jungs, die unter sich die Rangfolge neu sortieren.
Eines Morgens, als ich zum Füttern rausging, fiel mir auf, dass Möhre (der bisher zurückhaltendste der Gruppe, ob Schweinchen oder Menschen gegenüber) nicht fressen wollte, bzw. alles nur beschnupperte, aber nicht anfing an den Möhren zu knabbern. Als ich ihn hochhob, fand ich eine angeschwollene, blutige Oberlippe und vor und stellte zu meinem Erschrecken fest, dass ihm die oberen beiden Schneidezähne komplett fehlten, bzw. diese direkt am Zahnfleisch abgebrochen waren. Nach dem ersten großen Schrecken untersuchte ich die anderen drei, konnte aber keinerlei Verletzungen finden.
Ab zum Tierarzt, Schmerzmittel und Fütterungstipps erhalten - Zähne wachsen ja zum Glück nach und kleinere Wunden heilen problemlos und schnell wieder ab.
An den folgenden Tagen verbrachte ich mehrere Stunden damit, die vier ausgiebig zu beobachten und stellte fest, dass Nobby nun gar nichts mehr zu sagen hat (sich damit auch scheinbar gut zurecht findet und sich eher zurückzieht und einfach keine Lust auf Konfrontation hat) und Smartie und Möhre nun offensichtlich um Strubbel buhlen.
Die beiden jagen sich abwechselnd durchs Gehege und bedrohen sich massiv. Leider hab ich auch schon beobachtet, wie sie sich beißen und richtig die Fetzen fliegen. Sie lassen dann wieder voneinander ab und und es wird geschaut, wer schneller bei Strubbel sein kann um dort aufzureiten. Strubbel hat darauf auch immer öfter keinen Bock mehr und setzt sich nun immer öfter zur Wehr, indem er nach dem "Aufreiter" schnappt und dieser von ihm (leider nur kurz) ablässt. Oft lässt Strubbel es aber auch immer noch einfach über sich ergehen und frisst einfach weiter.
Das Ganze läuft nicht den ganzen Tag so stressig ab, sondern mehrmals am Tag für ein paar Minuten. Wenn es gerade ruhig ist, fressen alle zusammen am selben Futterplatz und liegen sogar alle vier in einem Teil des Stalls auf einer kleine Fläche von 60x100 cm (einer auf dem Häuschen, einer drinnen, einer daneben und einer davor) obwohl sie im gesamten Stall viel mehr Liegeplätze und im gesamten Gehege sowieso vielmehr Platz hätten. Das lässt mich bisher in dem Glauben und der Hoffnung, dass sie sich "eigentlich mögen" und niemand grundsätzlich unerwünscht ist.
Nachdem ich also immer noch recht entspannt blieb, ging ich am Mittwochmorgen wieder zum Füttern raus, und es kamen nur drei Schweinchen sofort aus dem Stall gelaufen. Ich suchte nach Smartie und fand ihn völlig zerbissen auf einer Hütte im Stall sitzend vor.
Ich nahm ihn dann erstmal mit rein, desinfizierte einmal alle Wunden und gab ihm etwas von dem Schmerzmittel, das ich glücklicherweise noch von Möhre hatte. Der arme Junge war so erschöpft, dass er sich in dem Handtuch auf meinem Arm direkt hinlegte und die Augen schloss und erstmal ausruhen musste. Mir liefen da schon die ganze Zeit die Tränen, weil ich mich als Haltern unglaublich schlecht und verantwortungslos fühlte..
Nach einer Stunde Ausruhen wurde Smartie dann wieder sehr unruhig auf meinem Arm und wollte weg. (Die vier lassen sich alle grundsätzlich nicht gern anfassen und hochnehmen, klettern aber auf den Schoß, wenn man sie mit Petersilie oder anderen Leckereien füttert). Ich setzte ihn dann wieder zur Gruppe, weil ich irgendwo gelesen hatte, dass auch nur stundenweise separierte Schweinchen oft (noch) schlechter von den anderen akzeptiert werden. Für den Rest des Tages war es dann bis auf ein bisschen gegenseitiges Scheuchen relativ ruhig.
Ich muss dazu sagen, dass das Gehege direkt auf unserer Terrasse ist und ich entweder dort sehr viel Zeit verbringe um die Tiere zu beobachten, oder mich in unserem großen Wohn-/Esszimmer mit angrenzender Küche aufhalte und auch von dort aus so ziemlich alles mitbekomme, was bei den Jungs passiert. Ich lasse schon den ganzen Tag die Terrassentür auf, um jegliche Art von Kommunikation unter den Schweinchen mitzubekommen. Gottseidank bin ich grad wegen Schwangerschaft im Beschäftigungsverbot, sodass ich fürs Beobachten einfach sehr viel Zeit aufbringen kann und auch möchte. Ein Segen für mich und die Jungs würd ich sagen.
Leider bin ich nun mit meinem Meerschweinchenlatein am Ende und weiß nicht, ob und was ich verändern / beeinflussen kann oder sollte. Die Tierärztin ist der Meinung, das würde sich alles erledigen, wenn ich möglichst bald alle vier kastrieren lasse. Aber ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob das wirklich so stimmt, oder ob sie nur gerne einen Tipp geben möchte, den sie auch abrechnen kann!?
Ich stelle mal eine kleine Liste von Fragen auf, die mir insgesamt so durch den Kopf gehen:
Wie seht ihr das Kastrationsthema? Sinnvoll, nicht sinnvoll? Vor- und Nachteile?
Inwiefern sind Rangeleien normal und bis zu welchem Ausmaß?
Was lasse ich zu/wann sollte ich eingreifen? Sollte ich überhaupt eingreifen?
Interpretiere ich meine oben geschilderten Beobachtungen überhaupt richtig?
Was bedeutet das Aufreiten der drei Jüngeren bei Strubbel? Leidet er darunter möglicherweise?
Die Situation bei den Jungs muss ja für jeden einzelnen unglaublich stressig sein und ich habe echt Angst, ihren Ansprüchen nicht gerecht zu werden oder Bedürfnisse nicht richtig zu erkennen. Heute habe ich den Eindruck, dass es unglaublich ruhig ist... Alle liegen entspannt beieinander (auf den 60x100 cm) und der Rest wird gar nicht genutzt. Als es eben Möhren und Petersilie gab, kamen alle freudig angerannt und haben zusammen gefuttert, danach ging's wieder in den Stall. Aber das Wetter ist auch kalt, nass und windig. Mich würde es auch nicht nach draußen locken
Ich fürchte jedoch, wenn morgen die Sonne wieder rauskommt, fliegen auch direkt wieder die Fetzen...
Ich trau mich kaum, mal einen Tag außer Haus zu sein, weil ich wirklich Angst habe, dass wieder einer doll verletzt wird.. (Was ich im Vorfeld hätte verhindern können oder müssen)!?
Ich danke jedem einzelnen von euch jetzt schon so sehr für eure Zeit, die ihr euch extra nehmt, um diesen Roman hier zu lesen und mir Tipps zu geben. Das ist sicher nicht selbstverständlich! Um eine solche Herausforderung nachvollziehbar zu beschreiben, ist es aber auch sehr schwierig, sich kurz zu fassen..
Anbei noch zwei Fotos von meiner "Männer-WG"..
DANKE DANKE DANKE Euch allen noch ein schönes Wochenende!
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